Profildicke und Aerodynamik

Also wir haben uns heute in das HNQWARP32 oder sonstwas verliebt. Damit müssen wir das nächste Modell bauen, sonst sterben wir. Modetrends sind nunmal da, ihnen gnadenlos hinterherzurennen. Damit liegt unsere Skelettlinie also fest. Wenn nicht, lest noch vorher kurz ein paar Kleinigkeiten zum Thema schränken, wir sehen uns hier gleich wieder, mit einer einzigen Skelettlinie, hoffe ich jedenfalls (das ist nunmal das flattersicherste).

Welches Profil wollen wir nehmen? Ich schlage das HQ/W2,5/9 und HQ/W2,5/14 vor, weil die HQs nunmal mit zu den beliebtesten Kurven zählen...

 

Geschwindigkeitsverteilungen durch dick und dünn...

So, wir haben irgendwann mal gehört, die Strömung strömt irgendwie schneller um ein Profil, warum wissen wir nicht, ist ja auch egal, man kann ja auch einfach fliegen gehen. Wenn einem nur hinreichend langweilig ist, kann man das sogar berechnen. Das Ergebnis seht ihr hier. Alles ist mit einem uralten Epplercode gerechnet (Ende der 80er), damit jeder das für sich nachrechnen könnte, wenn er oder sie (???) Lust dazu hätte. Wir beginnen mit dem HQW2,5/9 und schauen uns in aller Ruhe die Geschwindigkeitsverteilung an.

Was sehen wir? Nun, man erkennt deutlich, daß sich bei +10° eine Saugspitze an der Profilnase breit macht. Wir machen jetzt dasselbe Spiel mit dem HQW2,5/14, wieder Geschwindigkeitsverteilung, nur Oberseite.

So, das sind exakt dieselben Anstellwinkel wie beim HQ/W 2,5/9. Wir dürfen also ungestraft direkt vergleichen. Bei +10° entsteht auf der Oberseite noch keine scharfe Saugspitze! Was lernen wir daraus? Dicke Profile haben aufgrund dieser Eigenschaft ein höheres camax als die dünneren, ganz einfach, weil sich die Saugspitze an der Nase erst bei größeren Anstellwinkeln ausbildet und damit erst später zum Abreißen führt. In Zahlen ausgedrückt heißt das:

HQ/W 2,5/9 camax=1,25
HQ/W 2,5/14 camax=1,60

Deswegen also dicken manche Leute zum Randbogen hin auf. Grund: weicherer und späterer Strömungsabriß. Sie denken, sie wären extrem intelligent und viel schlauer als der Rest der Welt. Wären sie auch, gäbe es da nicht noch den Rezahleinfluß zu beachten...

 

Kritische Reynoldszahl und Profildicke

Neben einem höheren cw haben Dicke leider noch das Problem, Rezahl-Sensibelchen zu sein. Mehr Dicke heißt ja mehr Beschleunigung. Das mag jeder, selbst die Strömung. Was sie aber überhaupt nicht leiden mag, sind Verzögerungen, also abbremsen. Jeder Autofahrer kennt dieses Gefühl, wenn ein Fiat Uno auf der linken Spur einer ansonsten leeren Autobahn sein Speedlimit testet. Gut.

Schauen wir uns das mal an: In der Geschwindigkeitsverteilung alpha=6° des HQ/W 2,5/14 beginnt die Verzögerung (=Geschwindigkeitsabfall) bei etwa x=0,15, also 15% der Profiltiefe. Zwar nur schwach, aber immerhin. Die Strömung wird irgendwann zwischen 15 und 40% entdecken, daß das mit der Laminarität nicht mehr klappt. Bei hohen Anstellwinkeln beginnt das leider sofort hinter der Nase, wir erinnern uns an dieser Stelle mit Grausen an die Saugspitze (=Geschwindigkeitsspitze). Das Profil wird deswegen vollturbulent umströmt, jeder kennt das Bild der Polare, die nach hinten abhaut...

An dieser Stelle kommt diese Ähnlichkeitszahl des Herrn Reynolds hinzu. Das war irgendsowas mit Zähigkeitskräften und Trägheitskräften in Fluiden, aber so genau wollen wir das gar nicht wissen. Die sagt im Endeffekt: Je kleiner desto zickiger bin ich. Manch einen mag das bekannt vorkommen und an das versehentlich geheiratete weibliche Wesen zu Hause erinnern...

Rezahl-Problem
Je kleiner die Rezahl, desto weniger Druckanstieg bewältigt die Strömung ohne Ablösung.

Folge des Re-Problems
Bei dicken Profilen löst sich die Strömung bei kleiner Rezahl viel früher ab, als bei einem dünneren Vergleichsprofil.

Anmerkung zum Verständnis
Gibt es kein Rezahlproblem, reißt beim dünnen Profil die Strömung eher ab! Bsp:
HQ/W 2,5/9 camax=1,25
HQ/W 2,5/14 camax=1,60

Gibt es ein Rezahlproblem, hat das dünnere Profil ein ähnliches oder sogar größeres fliegbares camax! Der Unterschied besteht aber jetzt zusätzlich darin, daß das Wiederanlegen der Strömung an das dickere Profil im Vergleich erheblich länger dauert, ein kräftiger Abnicker ist also garantiert...

Kommen wir zurück zu unseren Intelligenzbestien, die Großsegler mit hoher Streckung bauen und meinen das Außenprofil kräftig aufdicken zu müssen. Haha, selten so gelacht! Die kritische Rezahl freut sich diebisch mal wieder unentdeckt zuschlagen zu können. Der Erbauer wird bis zum Ende des Modelllebens an der Böenempfindlichkeit und den sehr mäßigen Langsamflugleistungen wie auch -eigenschaften seine Freude haben. Wir wissen warum! Aber sagt es ihnen nicht, ich will auch in Zukunft nochwas zu lachen haben!!! Nach allem, was ich so gesehen habe, sind 12,0% bei einem 5m Segler o.ä. wirklich das äußerste Maximum, was man tun sollte. Gemeint ist nicht ne 5m K6e oder sowas, sondern eines dieser vielen ich-bin-nach-irgendeinem-GFK-Vorbild-gebaut-aber-weil-ich-doof-bin-muß-das-HLW-35%-größer-und-der-Flügel-geringer-gestreckt-sein Modell. Mit 10-11% Dicke und der ggf. ohnehin notwendigen Schränkung sollte das eigentlich ganz gut gehen, denke ich. Vor allem die Böenempfindlichkeit sollte sich durch diese Maßnahme verbessern. Diesen Effekt merkt man schon bei kleinen Modellen deutlich.

Ok, wie kann man nun diese Rezahlklippe umschiffen?

Das sind die Zauberworte. Etwa in dieser Reihenfolge sind die Maßnahmen zu ergreifen, um die kritische Rezahl zu drücken. Nur damit ihr eine Ahnung habt, um was es geht. Normal braucht das aber niemand zu tun! Die Modellflugprofile sind so entwickelt, daß sie bereits recht Re-unempfindlich sind. Wer 14% dicke Profile liebt, darf sich halt nicht über Probleme wundern, wenn ein Flieger mit 100mm Flügeltiefe so fliegt, wie ein toter Scheich auf seinem Teppich: Grauselig! Normal sind Modellflugprofile mit d=10% und weniger bis hinunter zu HLGs fliegbar, nur ganz optimal sind sie halt nicht. Deswegen ist zum Beispiel das S4083 bei den HLGs so gut eingeschlagen, hier sind ein Haufen guter Tricks zur Reduktion der kritischen Rezahl eingebaut worden und das merkt man eben an der Leistung...

 

So Jungs, das war's schon! Das kann man nicht auf einmal alles verstehen, das braucht wirklich Jahre, bis man einigermaßen die verschiedenen Einflußfaktoren und Zusammenhänge verstanden hat und nach Gefühl abschätzen kann. Die meisten Leute blickens nie (schwacher Trost, ich weiß), aber ihr seid auf dem besten Weg dazu. Hoffentlich konnte ich euch ein wenig dabei helfen, dann wäre schon einiges erreicht...