Schränkung (aerodynamisch)

Eine kurze Begriffsbestimmung

Es geht hier um über die Spannweite variierende Profilierung oder anders gesagt: Um die Leute, die meinen, daß ihr Modell an der Wurzelrippe ein anderes Profil als am Randbogen haben muß.
Wer es bisher nicht verstanden haben sollte: ein Modell der Marke E205, E193, E180 oder Ritz3, Ritz2 und so weiter auf EINEM Flügel. Gut.

Den äußersten Flügelbereich mit TNT- oder Sichelrandbögen, Tiplets, Winglets oder sonstwas dran diskutieren wir hier nicht, das ist ein eigenes Spezialgebiet mit speziellen Randbedingungen durch die komplexe 3 dimensionale Umströmung. Die interessieren uns hier nicht. Es geht nur um den Hauptflügel.

Ein eng verwandtes Themengebiet ist die Verwindung, empfehle ich in dem Zusammenhang auch durchzulesen.

 

Wozu das überhaupt?

Das frage ich mich auch manchmal, wenn ich mir diese Modelle anschaue. Es gibt nur wenige Beispiele, bei denen aerodynamisch schränken wirklich intelligent und sinnvoll eingesetzt wurde. Eines dieser Beispiele ist der Flamingo 2001. Oft aber wird vollkommen willkürlich und unsinnig durch die Gegend gestrakt, ohne Sinn und Verstand. Diese Leute fühlen sich danach besser, weil es niemand nachvollziehen kann, vermutlich nichtmal sie selbst.

Bei einem Normalmodell (Funfliegen) ist aerodynamisch Schränken ziemlicher Unsinn, bei den dicken Rümpfen fällt das wirklich nicht ins Gewicht. Die Außenflügel haben überelliptische Tiefen, also keine Abrißgefahr außen. Wozu dann das Profil variieren? Eben! Also ist höchstens eine Dickenänderung wegen der Statik sinnvoll, die gehört im Endeffekt nicht wirklich in den Bereich des aerodynamischen Schränkens, aber dazu kommen wir noch.
Großsegler kennen das Durchbiegen der Außenflügel im Schnellflug nach unten. Hier ist eine aerodynamische Schränkung der Trick schlechthin, um solche Phänomene sicher in den Griff zu bekommen.

Profilkategorien
Es gibt unterschiedliche Profiltypen wie turbulent, semilaminar und laminar. Diese Bezeichnungen beschreiben das Verhalten der Strömung über die Profiltiefe. Wenn wir ein ausgefuchster Aerodynamiker sein wollen, bauen wir an der Wurzelrippe ein Laminarprofil ein, am Außenflügel ein semilaminares und am Randbogen ein turbulentes. Damit reizen wir in der jeweiligen Flügelregion die Strömungsverhältnisse optimal aus.
Was passiert aber, wenn wir an einer Stelle des Flügels das Limit überschreiten (Abriß, Ablöseblasen)? Nun ja, meistens müssen wir danach ein neues Modell bauen. Schade eigentlich. Ablöseblasen haben die Eigenschaft, sich schlagartig längs des Flügels auszubreiten, wir würden tierisch Abkippen. Deswegen vermeiden wir unbedingt einen Wechsel der Profilkategorie am Hauptflügel. HQ3,0/12 auf NACA2412 wäre sowas, deswegen tut das ja auch niemand.
Bei TNT Randbögen gibt es diese RG15 auf NACA0010 Straks, aber das ist ja der Randbogen, um den wir uns hier nicht kümmern wollen. Das ist die einzige Ausnahme, wo wir sowas ungestraft dürfen.

Wir merken uns: Straks sollten aus diesem Grund am besten aus derselben Profilserie stammen, das ist ein recht sicherer Ansatz. Wer meint das nicht tun zu müssen, sollte sich in der Aerodynamik verdammt gut auskennen und da gibt es sehr wenige Leute. Deswegen lassen wir das. Aha! jetzt verstehen wir auch die E197-E195-E193, Ritz..., HQ, RG Straks.

Nullauftriebswinkel
So, wir haben uns nun für eine Serie entschieden, die HQ Serie nehmen wir mal. Was unterscheidet die Profile? Das für uns entscheidende ist der Nullauftriebswinkel. Wieso? Nun, wechseln wir von einem Profil auf ein anderes und wir haben eine Nullauftriebswinkeldifferenz, was haben wir dann? Im Endeffekt dasselbe, als wenn wir bei durchgehender Profilierung eine Verwindung eingebaut hätten, was das Auftriebsverhalten des Flügels betrifft! Das hat aber einen wesenlichen Einfluß auf das Abreißverhalten. Wir müssen also aufpassen. Das heißt also, daß aerodynamisch und geometrisch Schränken direkt Hand in Hand gehen und fast nie voneinander getrennt werden können. Man ist also meist gezwungen beides gleichzeitig tun zu müssen, um eine vernünftige Auslegung zu erzielen! (Für die Spezis: Die Auftriebsanstiegsdifferenz betrachten wir hier nicht, es geht hier um Basics)

Der Nullauftriebswinkel von Profilen hängt im wesentlichen von der Skelettlinie ab. Die Dicke hat nur einen unwesentlichen Einfluß. Das heißt, Dickenveränderungen sind unkritisch, solange wir dieselbe Skelettlinie beibehalten. Am sichersten ist es, wenn wir ein und dasselbe Profil rechnerisch aufdicken oder ausdünnen. Viele Profilserien sind nämlich so, daß nicht nur die Dicke variiert, sondern auch etwas die Skelettlinie. Vgl. HQ2,0/X. Die HQ2,5/X Serie ist vergleichsweise konsistent, was die Nullauftriebswinkel betrifft.

Aus den genannten Gründen zähle ich aus praktischer Sicht die Leute, die nur ihre Profile aufdicken/ausdünnen nicht zu den aerodynamischen Schränkern im eigentlichen Sinn. Aufdicken/Ausdünnen wird meist nur aus Gründen der Statik praktiziert. Wie wir gesehen haben, dürfen wir das recht ungestraft tun, ohne uns weitere Probleme einzuhandeln.

Welcher Typ?
So, Jungs, jetzt mache ich euch fertig: einen nach dem anderen! Es soll nachher niemand sagen oder glauben, er sei nicht erwähnt worden! F3A-Piloten lesen diesen Text ausnahmsweise zurecht nicht, denn das "Schränken" ist eh kein Thema für sie. Die F3F Fraktion lümmelt sich eh schon gelangweilt auf dem Sofa herum, surft mal zum Thema Randbogen oder sonstwohin, das hier ist reine Zeitverschwendung. Aber alle anderen sollten jetzt besser aufpassen! Auch angehende F3B-ler!

Jetzt kommen wir mal wieder zur Gretchenfrage: Welcher Modelltyp sind wir denn heute? Nein, das kommentiere ich nicht weiter, ihr habt ja vielleicht schon den Artikel über die Verwindung gelesen...


Normalmodell

Quadroflapmodelle (F3B, F3J)

Großsegler

Na, entschieden? Ein Tipp: Leute mit Flatterproblemen sollten sich mal den Großsegler-Artikel anschauen, da kann man was dazulernen!

 

© Hartmut Siegmann 2001