aerodesign Modelldatenbank

Æ-38 V1 "Seeotter"

Der Seeotter ist ein RC-Wasserflugzeug oder genauer gesagt Flugboot, wie unschwer aus der Zeichnung zu ersehen ist. Jahrelang habe ich den Urlaub an der Nordsee auf Baltrum genießen dürfen (family) und da kam ich irgendwann auf die Idee, daß ich sowas haben muß, ein Wasserflugzeug...
Daraufhin verstrichen einige Jahre der Untätigkeit und fast wäre diese Idee wieder in Vergessenheit geraten... würde es hier heißen, wenn ich ein Buch schreiben wollte. Aber deswegen sind wir ja nicht hier... Daher: Flugboot, kunstflugtauglich, Elektroantrieb, 2x Speed 9,6V parallel, Zahnriemengetriebe 2,5:1, 16 Zellen in Reihe, um die 2m Spannweite, QR, SR, HR, MTR, 4x Servo C 507, Empfänger ds20mc, lauteten die Resultate nach einigen Spaziergängen, die tatsächlich über zwei oder fünf Jahre verteilt waren, weiß ich nicht mehr so genau. So viel zum Konzept. Die detaillierte Ausarbeitung entnehmt ihr bitte dem Datenblatt, denn was ich jetzt erzählen möchte, ist hoffentlich viel interessanter...

 

Ganz perfekt war das noch nicht...

Die erste kleine Fehlannahme war, daß das Modell so stabil gebaut ist, daß es den nächsten Atombombenkrieg abgesehen von der Bespannung vermutlich schadlos überleben dürfte. Das daraus resultierende Fluggewicht von 3,85kg ist etwas, was man sich nicht antun sollte. Man muß von seinem Feriendomizil zum Strand gehen, deshalb. So spart man sich den Besuch im Fitness Center!

Bei böigem Wetter liegt die Kiste vermutlich wegen des aerodynamisch hervorragenden Rumpfes (kleiner Scherz) und der zwar optisch schönen, aber extrem widerstandsträchtigen Cockpitverglasung ausgesprochen unruhig in der Luft. Windstille gibt es am Meer meist nur morgens und abends, selten dazwischen. Dazwischen ist die Zeit für Kunstflugeinlagen, an einem schönen Abend mit Sonnenuntergang hat sowas nichts zu suchen, wir wollen keine Störenfriede sein. Somit hat sich die Kunstflugauslegung als, sagen wir mal, etwas kurzsichtig herausgestellt, zumal das bei einem Flugboot so aussieht, als würde ein Elefant einen Salto versuchen. Im Gegensatz zum Elefanten klappt das sogar, aber es sieht - unter uns gesagt - wirklich affig aus.

Damit hat sich das NACA 1012 als Profil ebenfalls erledigt, ein Clark Y oder NACA 2412 ist für uns das richtige, am Meer ist sicher letzteres zu bevorzugen. Dieses Modell ist eines der Sorte, wo Motorverkleidungen und ähnliches den Widerstand absolut dominieren, daher ist uns der Rest ziemlich egal. Denjenigen, der hier irgendwelche Versuche mit HQs zur Optimierung startet, würde ich als gnadenlosen Optimisten bezeichnen. Man kann in einem überladenen Flugzeug ja auch die Aschenbecher leeren... Die EWD von 0,0° sollte man durch 1,0° bis 2,0° ersetzen, besser ist das.

Die Flügelbefestigung mit einem Zentralstift und zwei M6 Nylonschrauben hinten ist im Einsatz nicht dicht, es kommt immer Wasser rein, ein echtes Dichtungsproblem. Am Meer ist das eine Katastrophe! Zwei Stifte vorne, zwei Niroschrauben hinten kombiniert mit einer Silikon/Tesamoll Doppeldichtung auf der Innenseite müßte die Probleme beheben. Ein einziger Tropfen Salzwasser schaltet einen Regler VOLL durch, das kann ich nur bestätigen, zum Glück waren die Akkus schon so leer, daß ich das Modell gerade so eben noch am Abheben hindern konnte. Nein, nie wieder platziere ich den Regler unterhalb des Flügels, ohne ihn zusätzlich voll abzudichten! Wir wollen schließlich in Ruhe alt werden und sowas ist uns auf Dauer doch zu aufregend.

Die durchgängigen Querruder sollte man sich nicht antun, weil die Abrißeigenschaften bei gesetzten Klappen im Anflug unangenehm sind. Entweder einen festen Anstellwinkelsprung in die Klappen bei 50-60% Spannweite einbauen oder getrennte WK und QR einbauen, hat einige Vorteile mehr. Wir bauen dann nämlich gleich eine Spaltklappe im Innenbereich und wenn uns langweilig ist, auch noch eine Nasenklappe ein. Diese Maßnahmen machen dann eine superlangsame Landung möglich, nicht unwichtig.

Es war nicht die beste Idee, die Hilfsschwimmer aus Balsa mit Kohlerohr und hinterer Abreißkante zu designen. Der cw ist grausig und aerodynamisch bessere bringen nochmal über 1min Flugzeit. Diese Dinger brauchen keine Abreißkante, da sie bereits beim Anrollen rauskommen. Auf Stufe sind sie sowieso schon lange, lange draußen. Man braucht diese kleinen Dinger wirklich nur zum Rollen, sie können also kleiner ausfallen. Die neue Version bekommt die schöne PBY Consolidated Lösung (Hilfsschwimmer=Randbogen), einfahrbar.

Das Graupner "Power-Gear" Zahnriehmengetriebe 1:2,5 (Best.-Nr. 1797/25) hat sich als geeignet erwiesen, bedarf aber einiger Nacharbeit: Die Gewindestifte (Madenschrauben) sind allesamt durch Inbusexemplare auszutauschen. Darüber hinaus rutschen die Messingspannhülsen auf den Wellen durch, wenn man so hohe Leistungen fordert, wie wir das tun. Die Motoren habe ich durch Speed600BB 8,4V mit Eisenring ersetzt und mit 16 Zellen samt 11x7 APC kann sich jeder seinen Teil ausrechnen. Die Wellen sind unbedingt flach anzuschleifen, damit die Gewindestifte guten Sitz haben und die Zahnräder nicht durchrutschen.

Da ich das alles nicht wußte, hatte ich mehrfach einseitige Motorausfälle mit zwei Folgeabstürzen, da ich gerade sehr tief flog. Beide Propeller drehten scheinbar einwandfrei, nur der eine langsamer. Leider war der Drehzahlabfall nicht sichtbar, so daß ich deswegen mehrfach gehörig in Probleme geraten bin! Mit den angesprochenen Modifikationen hält das Zahnriehmengetriebe trotz der recht hohen Wellenleistung. Auch nach über 200 Flügen habe ich keinen Zahnriehmenriß oder ähnliches zu beklagen.

Die Flugzeit beträgt ohne Motorverkleidungen exakt 5,5 min, mit 30s Rollreserve. Mit Motorverkleidung und großen Spinnern liegt die Flugzeit bei knapp 9min, mit derselben Rollreserve. Mehr ist dazu nicht zu sagen! Auf dem Foto rechts sind die Motorverkleidungen mit den Spinnern zu sehen. Die Verkleidung besteht artgerecht aus schwarzer Bastelwellpappe, mattschwarz lackiert. Dieses Design paßt exzellent zu diesem Modelltyp. Die Querruderservos stecken gleich mit in den Verkleidungen. Die Lufteinlässe unten (in den Zeichnungen zu erkennen) bringen wirklich was, wenn man die Hand hinter die Motorgondeln hält, spürt man deutlich die warme Abluft. Das Wasser, das potentiell in die Motoren kommen könnte, interessiert uns hier nicht, da es gleich verdampft. Daher nicht relevant, die Kühlung dagegen schon. Optimisten würden jetzt eine Betrachtung der Verdampfungsenthalpie anstrengen, wir freuen uns lieber über die kostenlose Wasserkühlung.

Der Motorsturz ist mit -3,0° wohl zu klein ausgefallen, da immer leicht tiefgetrimmt werden muß. -4,0° sind wohl beim NACA1012 richtig, müssen aber jeweils an das verwendete Profil angepaßt werden. Der Seitenzug paßt mit 0,0° links und 1,5° rechts bei jeder Gasstellung sehr gut, keinerlei Nachtrimmung am Seitenruder erforderlich. Da kommt Freude auf!

Ich habe immer wieder Flugboote ohne Wasserruder gesehen. Beim kleinsten Windhauch dreht sich das Modell immer in Windrichtung. Nur mit relativ hoher Fahrt hat man eine Chance die gewollte Richtung zu halten... die Steine am Ufer besorgen den Rest. Fernsteuerteile kann man mit dem Fön trocknen, so als kleine Anmerkung. Mit Wasserruder fährt man gnadenlos geradeaus, selbst bei Micky Mouse Tempo und kräftigem Wind.

Alles, was irgendwie mit Stahl auch nur zu tun haben könnte, rostet dermaßen extrem, daß einem die Tränen kommen. Alu rostet zwar nicht, aber auch hier gibt es gewaltige Korrosion. Gleiches gilt für alle Kontakte der Fernsteuerung. Kontaktspray und Antikorrosionsmittel sind am Meer überlebenswichtig, absolute Pficht! 15min Salzwasser bei Sonne und die Arbeit ist getan. Leider dauert so lange allein der Heimweg. Also immer Putzlumpem bereit halten und vorher alle Alu (!) und Stahlteile mindestens mit Klarlack schützen und die Fernsteuerkontakte prophylaktisch mit Kontaktspray behandeln. Bitte unbedingt beherzigen! Deswegen bin ich einmal abgestürzt, danach taten die Kontakte zum Glück wieder und ich konnte an den Strand zurückrollen. Das nächste Mal baue ich eine Box nur für die Elektronik ein, wasserdicht, bombenfest und absturzsicher...

 

Das war perfekt


Die Wahl des gesamten Antriebsstranges war genau richtig. Die Akkus in Reihe und die Motoren parallel zu schalten sorgt für Power ohne Ende in allen Lebenslagen. 10 Zellen haben nicht gereicht, es war ein Jammerflieger. 12 Zellen sind die vertretbare Untergrenze, 14 Zellen sind in Ordnung, 16 sind aber geiler. Sanyo RC black (1700mAh). Die Flugzeit liegt bei 8-9 Minuten mit sportlichem Flugstil. Mit den 3000ern Akkus sollten knapp 20min Flugzeit drin sein. Als Luftschrauben haben sich mit Motorverkleidung die APC 11x7 als perfekt herausgestellt. Ohne Motorverkleidungen waren die Graupner 12x5 Nylon besser, aber das kommt ja ohnehin nicht infrage, das kostet wirklich zu viel Flugzeit.

Die Motorenanordnung auf der Profiloberseite ist gut und bereitete nie Probleme. Auf diesem Bild sind weder die Spinner noch die Motorverkleidungen montiert, ein cw Wunder der besonderen Art, man könnte es auch als fliegende Wand bezeichnen.

Auf dem Foto oben ist das ganz große Seitenruder zu sehen. Später habe ich es wieder verkleinert (s. Zeichnung unten). Das Strake an der Seitenflosse ist so in Ordnung, kann aber auch größer sein. Ganz weglassen würde ich den nicht, sonst kann man ggf. wegen des geringen Hebelarms das Trudeln nicht mehr beenden. Das Wasserruder unten an der Seitenflosse ist schön zu erkennen.

In der Zeichnung hier habe ich alle wichtigen Beplankungsstöße und Spanten eingezeichnt, so daß man beim Entwurf eines Flugbootes nicht ganz so auf dem Trockenen sitzt, wie ich, als ich dieses Modell entworfen habe. Nur eine kleine Anregung, nicht mehr. Die Hilfsschwimmer sind die neuen Exemplare, die alten wanderten in den Restmüll.

Die Stufe ist mit 30mm Höhe und 10° Hinterschneidung richtig Klasse, auch bei spiegelglattem Wasser ist ein Abheben möglich. Die Stufe liegt etwa 20mm hinter dem SWP und lebt von einer messerscharfen Abreißkante. Also keinesfalls abrunden! Der Unterboden aus 1mm Sperrholz mit GFK Beschichtung taugt sogar zum Eisbrechen. Die Beschichtung ist notwendig, weil der Bootslack auf Sperrholz beim Rutschen auf kleinen Steinchen (anlanden) zu stark aufgeschlitzt wird und sich damit das Sperrholz vollsaugen kann. Da das Sperrholz bis zur Stufe durchgeht, ist hier eine scharfe und robuste Kante auf Dauer gewährleistet.

Die 4mm Wandstärke des Rumpfes ist o.k., es dürften 3mm reichen. Das Spantendesign mit 4mm Balsa mittelhart hat sich bewährt. Der Anstrich aus Bootslack hält ebenso wie die Bespannung aus Seide (rot) wirklich dicht. Das gewölbte Vorderdeck aus 2mm Balsa sieht nicht nur gut aus, sondern funktioniert auch gut, wenn man die Landung zu steil angesetzt hat. Ein fürchterlicher Anblick, wenn das Boot kurz bis zum Cockpit eintaucht, dann aber ruckzuck wieder durch die Oberfläche bricht, ja regelrecht wieder in die Luft springt.

Insgesamt hat sich also das mechanische Rumpfdesign bis auf die Flügelaufhängung wirklich bewährt. Lediglich das Gewicht von 1050g inklusive RC könnte noch deutlich verbessert werden.

 

Nachbauten

Die Relation zwischen der Negativ- und Positivliste sollte mir eigentlich zu denken geben, aber das ist bei einem absoluten Prototypen ohne Erfahrung normal. Wer vorher mit ein oder zwei Baukastenmodellen Erfahrungen im Wasserflug gesammelt hat, wird wohl gleich beim ersten Entwurf besser liegen.

Als Vorbild für so einen Typ kommen natürlich die Dornier Wale infrage, in genau dieser Konfiguration des Seeotter ist sicher die Canadair CL-215 als Vorbild der Klassiker schlechthin. Einige Details der PBY Consolidated sind klauenswert, insgesamt scheint ihr Design eine erfolgreiche Adaption der Do18 zu sein, nur besser und deshalb erfolgreicher umgesetzt.

Wenn ich selbst meine eigenen Tipps berherzige, steht irgendwann eine ultrageiles Flugboot vor mir, das wohl so ähnlich wie die Canadair CL-215 aussehen wird, aber mit einziehbaren Hilfsschwimmern versehen ist.

 

Die Geschichtchen am Rande...

Das Ding fliegt selbst bei Eisgang, das habe ich ausprobiert. Als echtes Problem hat sich allerdings die Vereisung herausgestellt, die Propeller waren manchmal (T(Luft)<0°C) dermaßen vereist, daß ich mich nur noch mit mehr als 3/4 bis Vollgas in der Luft halten konnte. Das Flugboot selbst war natürlich auch kräftig vereist. Der alte Trick mit dem rhythmischen Gasgeben zum Freischlagen der Propeller hat nur bedingt geholfen.

Die Angst, die die Piloten früher vor Eisansatz hatten, wird plastisch begreifbar, wenn man direkt nach dem Start mit Wölbklappen und Vollgas in 2m Höhe über dem Wasser hängt, ohne auch nur ansatzweise steigen zu können (normal steigt das Modell mit etwa 30° Steigwinkel weg!). Eine Kurve einzuleiten wäre hier das Ende des Modells, es hilft nur Anwassern und das hoffentlich in einer einigermaßen schollenfreien Zone oder direkt auf dem Eis. Da sollte man aber auf keinen Fall stehen bleiben, die Kiste friert sofort fest.

Das spaßigste beim Eisfliegen war das Eisbrechen. Dank 1mm Sperrholz im Bug ging das locker. Ein zufällig anwesendes Hochseekreuzermodell des Bundesgrenzschutzes schaffte das nicht. Also ergab sich das kuriose Bild, daß mein Flugboot dem Kreuzer das Eis brach, um aus dem kleinen Yachthafen herausfahren zu können.
Zur Ehrenrettung des Modellbootfahrers sei gesagt, daß er mich zweimal aus etwas verfahrenen Situationen zwischen Pfählen im Hafen sehr elegant herausbugsiert hat (da fehlte der Rückwärtsgang).

Einmal hat er mich sogar in den Hafen eingeschleppt, als ich etwas zu lange draußen war und mein Akku nicht mehr reichte, ans Ufer zu kommen. Es war ein Riesenspaß! An einem Sonntagabend hatten wir zufällig ein paar hundert Fußgänger als Zuschauer. Nach dem Ende der Aktion gab es rings am Ufer Beifall! So etwas habe ich ehrlich gesagt nie zuvor und nie wieder erlebt. Es war einfach nur schön! Ja, so war das damals und seitdem träume ich von einer verbesserten Version meines Flugbootes, der Seeotter II mit Enteisungssystemen.

 

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