zuletzt geändert: 22.03.98

 
 

Thermik-Autopilot, Traum oder Herausforderung?

von Peter Rother, Stuttgart, Feb.1998

 

Gleich am Anfang sei gesagt: ein Flughase wie Thies bin ich noch nicht. Angefangen hatte ich dieses Hobby im Februar 1997 mit einigen Startversuchen, die mit Zerlegung der - zu schweren - E-Modelle bis zur Baukastenform endeten. Man lernt dabei aber eine Menge. Dann kamen immer bessere Tage und neue Flieger dazu. Während meiner nicht sehr guten Thermikflugversuche im Sommer 1997 habe ich immer von augedehnten Flügen geträumt, wie sie im "Thermikbuch für Modellflieger" von Markus Lisken und Ulf Gerber beschrieben werden. Nach einem Start per Bungee auf 40 m Höhe war ein thermikanschluß schon etwas besonderes. Die Starts per selbstgebastelter E-Winde mit Soft-Anlauf auf 150m waren schon zu 50% Thermiktreffer.
Das Thermikbuch hat mich richtig angetrieben. Speziell der Artikel über den TC1 Thermik-Computer hat mich fasziniert. Da ich aus Leidenschaft Elektroniker, Funker (DL4SDD, in Kalifornien mit einer 18m hohen "Tower", starken Richtungsantennen und 1500W Sender jeden Tag mit Australien oder Pazifik in Verbindung gewesen), Bastler, Out-door-Sportler, Segler (auch Atlantiküberquerung), aber auch Mathematiker bin, dachte ich, das mußt du tun. Gedacht, getan, oder besser gesagt, noch immer in Entstehung. Da ich im Gegensatz zu Thies nur kleinere Flugzeuge auf unserer kleinen Wiese oder im Eichenpark aus dem Jahr 1842 von Herzog Carl in Stuttgart fliegen kann, hatte ich damals nur HLGs. Drei davon:

  • Einen Balsa/Jedelsky Hattric, der, nachdem er mir "entflohen ist", per 300 Flugblatt und Zeitungsannonce in einer Siedlung ca. 1,5 km weiter gesucht und gefunden wurde. Dieser Hattric war aber auch 2 Stunden 40 Minuten in der Luft an der Teck (Kirchheim), als die berühmten großen Vögel gleich neben dem Graupner Hauptsitz schon lange gelandet waren. Bei solchen Flügen schrumpft er zu einem kleinen Strich am Himmel, und meine bessere Hälfte fleht mich an, ihn herunterzuholen.
  • Einen extrem gut gleitenden Highlight mit Carbon-D-Box, 1,5m, 255g.
  • Einen selbstentworfenen HLG mit Rippentragfläche mit 4-fach-V und Winglets, auf superleichtem Hattric-Rumpf (46g), gefüttert mit 9g Servos und 14g Empfänger, seit kurzem auch Mikroprozessor - System, mit Neigungstranducer und Höhensensor (ganze Elektronik 18g, Software 0g, keine Telemetrie, weil zu schwer).

Mein Traum ist nämlich, auf die Wiese zu gehen, kurz den Vogel aus der Hand zu werfen, in eine Thermik zu steuern, wo der Thermik-Computer das Vermessen der Thermik, einkreisen und auskurbeln bis zu Sichtgrenze selbständig übernimmt?? Der Pilot kann sich kurz sonnen und dann mit der Höhe alles einstellen, oder auch nicht.
Ein "erweiterter" Traum für das Jahr 2000 ist dann, einen gewöhnlichen, bunten HLG im Stadtpark zu Stuttgart zu starten und zu schauen, wie er sich von einer Thermikblase zu anderen auf den Weg über die Schwäbische Alb in Richtung München macht, wo er auf dem königlichen Rasen im Englischen Garten, neben den schicken Damen, sich niederläßt. Oh, wenn ich ein Vogel wäre... Wenn nicht ein HLG reichen sollte, dann mindestens ein Elektroflieger mit schimmernden Solarzellen auf der Haut.

Traum oder Möglichkeit der Hobbybeschäftigung ?

Eine Fluglage-Regelung ist im Entstehen. Es bedarf noch vieler Flugtrainingsstunden, von denen einige telemetrische Aufnahmen samt mathematischer Auswertung ich präsentieren werde. Nachdem die Fluglage in jeder Situation stabil bleiben wird, kann man sich höheren Zielen widmen. Für mich als Thermikflieger ist es natürlich, irgendwie die Thermik auszunutzen. Ein Thermikalgorythmus ist zumindest in meinem Mathematikprogramm MATLAB flugfähig. Zuerst zartes Kreisen nach Reichmann'scher Methode um das Thermikzentrum, was auch die A1-Flieger ohne Elektronik können. Dann komplexere Aufgaben: finden, einkreisen, auskurbeln, neue Thermik suchen. Irgendwann wird man wollen, daß der Flieger weiß, wo er sich befindet, um zu seinem Herrchen zurückzukommen, oder eine momentane Thermikkarte des Fluggeländes zu erstellen, also Ortsbestimmung muß her. Ein Ortungssystem, ein 12-kanaliger moderner 24g schwerer custom-GPS-Empfänger (Jupiter von Rockwell) liegt vor mir auf dem Tisch. Leider braucht er noch viel zu viel Strom, volle 120mA. Mein heutiger Bedarf für die gesamte Meßplattform liegt bei 30mA. Erfahrung mir einem anderen GPS, dem Garmin-45 habe ich seit zwei Jahren und ca. 3000 km Fahrradtouren in verschieden Gegenden mit unzähligen ausgedruckten farbigen Karten samt gefahrenen Routen.
Um die Fäden zusammenzuhalten braucht man eine ganze Menge Rechenleistung, die Gott sei Dank nicht für die Windows Benutzeroberfläche verbraten wird, sondern lediglich für sinnvolle Berechnung der Ruderservos. Die Plattform für die Intelligenz des Fliegers in Form von leistungsfähigen Mikroprozessoren mit bis zu 20 MIPS für ganze 12mA bei 2.7V (ATMEL AVR RISC Micro Controller mit 50ns Befehlen) wartet im Schrank. Mein Ehrgeiz ist es jedoch, mit sehr einfachen $1.99 Prozessoren wie 8051 mit FLASH-ROM, die zu Hause programmiert werden können, auszukommen. Diese leisten bei 1mA nur 0.2MIPS, aber das reicht mir zuerst. Weiter muß man die physikalischen Fluggrößen dem Rechenknecht präsentieren. Einige Sensoren, wie sie Thies vorstellt, sind schon bekannt und in breiter Benutzung. Andere kommen jeden Tag auf dem Markt, wie der Neigungs/Beschleunigungssensor ADXL05 (Datenbatt http://www.analog.com), bessere Piezo-Giros für Segler (siehe letzte drei FMTs) oder ein elektronischer Kompaß aus Kalifornien (V2X - Beschreibung in Funkamateur 8/96, Internetsuchwort Vector2x).
Was braucht man also eigentlich mehr? Einen Schulterschluß von mehreren begeisterten Modellfliegern mit unterschiedlichem Background und Beruf, damit die Arbeit vorangeht und jeder seine Stärken einbringt, aber vor allem vom gemeinsamen Erfolg Spaß und Freude erfährt. Deshalb meldet Euch bitte beim Thies, damit wir wissen, wer die einzelnen Erfahrungen einbringen kann. Ich persönlich leide noch, wegen meiner beruflichen Tätigkeit in der Medizinelektronik bei HP, unter permanentem Zeitmangel. Trotzdem versuche ich, die Elektronik voranzutreiben. Das löten von SMD-Bauteilen von der Größe 2.7x1.5mm braucht viel Zeit, noch mehr die Mikroprozessorprogramme, die selten kleiner sind als Hunderte von Zeilen. Doch wenn das Wetter gut ist, dann fliege ich, und zwar sehr oft ohne Elektronik, manchmal mit Vario und Telemetrie.

Peter RotherHier mit einem X-Models mit einem Boomer-Rumpf, wo ein Avocet "Vertech Alpine" Höhenmesser mit Akkumulation der Aufstiege auf der Fläche montiert ist. Ich fliege auch Solar, wobei die Solarzellen am Boden bleiben und der Pilot kommt dann mit dem Fahrrad, ohne Autoverkehrstreß auf sich zu nehmen.
Um die Zusammenhänge der einzelnen Fluggrößen im Flug zu erproben, habe ich einen Thermikflieger so gebaut, daß ich viele Elektroniksysteme unterbringen kann. Die ganze Meßplattform samt Servos und Empfänger befindet sich auf einem Brett, das in den Rumpf eingeschoben wird. Mit diesem Flieger bin ich schon 118 mal gestartet, 25-60 Minuten geflogen und meistens auch gelandet. Einmal in einem 13m hohen, fast einzigen Baum auf der Wiese, von dem ihn dann die - per Handyanruf angeforderte - Feuerwehr mit einer 29m, 16 Tonnen schweren Drehleiter holen mußte. Der Einsatz von 8 Feuerwehrleuten voll in "Thermik"-Schutzkleidung mit Helm und Hitzegesichtschutz, natürlich als Übung in den Büchern deklariert, aber doch "nix omsonscht gwese'", wurde von vielen Spaziergängern als "Wetten daß"-Sendung aufgefaßt. Keiner vermutete, daß ich eben eine Übung aus dem Thermikbuch für Modellflieger absolviert hatte, die besagt, an der Kante eines großen Baumes entsteht besonders starker Bart, meistens als sehr kapriziöser Aufwind. Das hat auch 100 mal gestimmt, bis auf den Fall, daß man sich mit dem gerade gekommenen Freund unterhält und einen Strömungsabriß verschläft, und es dann noch schafft, den Vogel sanft in der Baumkrone zu "landen".
 

Zurück zum Modell: Spannweite 2.5m, Fläche 50dm, Antrieb: Motor Permax600 (SPEED 500 RACE hat mein Freund eingebaut - kürzere Motorlaufzeit), Getriebe 2.8:1 von Graupner, Luftschraube CAM-Folding 13x7, Akkus 7 oder 8 Zellen N1700SCR. Das Antriebssystem wurde mit meinem Optimierungsprogramm (Script in MATLAB) für den besten Wirkungsgrad des Motors und der Luftschraube entwickelt. Motorlaufzeit bei 7 Zellen 7'15", 8 Zellen 6". Die Steigraten liegen bei 2-2.5m/s und die kumulative Höhe bei 600 bzw. 700m. Gewicht des Antriebes mit Batterie ca. 770g, Servos + Empfänger ca. 54g, das ganze Modell mit Elektronikmeßplattform und Telemetrie ca. 1700g, was eine Flächenbelastung von 34g/dm ausmacht.

Demnächst kommen dann die Beschreibung der Elektronik, der Software und der Ergebnisse.

Hier nur ein kurzer Überblick:
Das Mikroprozessor (uP) - System im Flieger:

  • 8 Kanal 14 Bit ADC mit 50 oder 32 Messungen/Sek für: absolute Höhe, 2x Neigungen, Geschwindigkeit, Kompaßkurs, Temperatur.
  • PPM-Empfängerdekodierung per Software: 8 Kanal (5 belegt durch Seite, Höhe, Quer, Motor, Telemetrie Ein/Aus) und andere durch vom Boden übertragene Parameter des PID-Reglers, als Schieber auf dem Steuerpult. Verbindung des uP mit dem benutzten Pico2000 mittels eines einzigen Drahtes (Masseverbindung existiert schon).
  • Servoausgänge: per Software berechnete SERVO-Signale, um zuerst den Wellenflug zu unterbinden.
  • Digitales Vario: abgeleitet von der absoluten Höhe mit einer Auflösung von 0.1m,  gefiltert durch ein Kerbfilter, um den restlichen Wellenzug aus der Höhenkurve zu entfernen. Ausgabe mittels Telemetrie-Ausgangs als variable pulsierende Töne.
  • Tonausgabe der Höhe, des Steigens und anderer Parameter mittels Morse Code (dadurch sehr schnell, Sprachausgabe nach Wunsch) nach Anforderung des Piloten. Benutzt wird es beim Kreisen, wo man den Start und Stop der  kumulativen Berechnung per Fernbefehl geben kann.
  • Telemetrie mit in der Zeit versetzter, mehrfacher Wiederholung jedes Datenpakets, gesichert durch Header, Paketnummer und CRC16-Kontrollsumme nach CCITT (Cyclic Redundancy Check 16 Bit mit Polynom 1021h).

Und das alles mit einem AT89C2051 Prozessor (8051 mit FLASH-ROM), der nur 700uA braucht und nur mit 3.68Mhz Clock läuft.

Am Boden habe ich ein uP-System (30x30mm groß), das die komplexe binäre Datenübertragung in eine ASCII - Textzeile umwandelt und in den PC als "Terminal mit Aufzeichnen" schickt (HP100LX Palmtop PC, 280g 2x1.2V Mignon Akku). Die Daten, meistens 3000-5000 Meßpunkte pro Flug, werden dann zu Hause auf einen größeren PC überspielt und in MATLAB bearbeitet. Auf der Wiese habe ich dann die Fernbedienung, um zu fliegen und einen 433MHz Empfänger, um die Variotöne zu hören.

Also bis bald.

Peter Rother, Stuttgart-Sillenbuch, 15.2.98